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Situation
Begrenzte Kassensitze führen zu langen Wartezeiten und finden eines Therapieplatzes
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Hürde
Psychische Einschränkungen erschweren Betroffenen die Suche
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Lösung
Diese Anleitung hilft Dir von der Erstberatung bis zur Beantragung der Kostenerstattung
Übersicht der von den Kassen anerkannten Verfahren: Richtlinienverfahren
Psychoanalyse
Du liegst als Patient*In normalerweise auf der Couch mit der therapierenden Person am Kopfende und wirst durch freie Assoziation verdrängte Ereignisse aus Deiner Kindheit aufspüren, die aktuelle Probleme begünstigen. Im Mittelpunkt steht das Vergangenheitsunbewusste.
Die Ziele sind ein umfassendes Verständnis deiner individuellen Persönlichkeit sowie der Machtverlust innerer Konflikte und Verhaltensweisen durch Verständnis der eigenen, unbewussten Muster. Dauer: bis zu 300 Stunden, bis drei Sitzungen pro Woche.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (kurz Tiefenpsycholgie) oder auch psychodynamische Psychotherapie
Als Weiterentwicklung der Psychoanalyse, die im Hier und Jetzt verankert ist, wirst Du Dir über Konflikte und Entwicklungsstörungen bewusst, die aktuell Beschwerden hervorrufen. Du und die therapierende Person sitzen sich zur Verdeutlichung des Gegenwartsunbewussten gegenüber. Der Fokus liegt dabei auf der zielorientierten Klärung der zugrundeliegenden, unbewussten Wünsche, Motive und Konflikte. Dauer: bis zu 100 Stunden, bis zwei Sitzungen pro Woche.
Kognitive Verhaltenstherapie
Die Grundannahme dieser Therapieform ist, dass krisenbewirkendes Verhalten erlernt wurde und somit auch wieder verlernbar ist. Im Gespräch deckt ihr die erlernten Muster auf und erarbeitet gemeinsam Hilfen zur Selbsthilfe. So hast Du am Ende der Therapie Methoden erlernt, die Dir ermöglichen Deine Beschwerden selbst aus dem Weg zu räumen. Dauer: bis zu 80 Stunden, eine Sitzung pro Woche.
Systemische Therapie
Der Schwerpunkt dieser lösungs- und gesprächsorientierten Therapie liegt im Verständnis der Beziehungsprozesse zwischen den Mitglieder Deiner sozialer Systeme. Diese sind im Verständnis ebenso am Vorhandensein von Problemen beteiligt und sollen somit auch einbezogen werden. Das Ziel ist die eigene Sicht auf Probleme zu erkennen, zu beseitigen und neue Sichtweisen und Handlungsmuster zu integrieren. Dauer: bis zu 48 Stunden, eine Sitzung pro Woche, auch unregelmäßig möglich .

Verhältnis zur therapierenden Person
Therapie startet einen intensiven Lern- und Veränderungsprozess, umso wichtiger ist es die richtige Person an Deiner Seite zu wissen. Du solltest Dich sicher fühlen. Recherchiere ggf. mit Unterstützung von Freunden und Familie über die Praxis, eventuelle Fortbildungen, Behandlungsschwerpunkte, fachliche Ausrichtung. In mindestens zwei und bis zu vier (bei Kindern sechs) probatorischen Sitzungen steht das gegenseitige Kennenlernen im Mittelpunkt. Ihr findet gemeinsam heraus, ob die Chemie passt und die Therapieform geeignet ist.
Das Kostenerstattungsverfahren
In den 90er Jahren wurde der Bedarf an Psychotherapie berechnet und eine bestimmte Anzahl von Kassensitzen vergeben. Ein Kassensitz erlaubt es Psychotherapeut*innen, direkt mit den gesetzlichen Kassen abzurechnen, sozusagen eine Kostenübernahme-Garantie. Leider wurden diese Berechnungen seitdem nicht angepasst, obwohl der Bedarf enorm gestiegen ist. Das führt zu langen Wartelisten – oft länger als 6 Monate!
Wenn Du eine psychische Erkrankung hast, hast Du Anspruch auf eine Behandlung. Wenn das System versagt, müssen die gesetzlichen Krankenkassen eine Ersatzleistung zahlen. Das bedeutet, Du kannst auch in einer Privatpraxis behandelt werden und die Kosten übernimmt Deine Krankenkasse.
Viele ausgebildete Psychotherapeut*innen eröffnen Privatpraxen, weil es viel zu wenig Kassensitze gibt. Hier kommt das Kostenerstattungsverfahren ins Spiel. Es erlaubt Dir, Dich in einer Privatpraxis behandeln zu lassen, wenn Du nachweisen kannst, dass Du dringend eine Behandlung brauchst und keinen Platz in der Regelversorgung (= Praxen mit Kassensitz) bekommen hast.
Kannst Du nachweisen, in der Regelversorgung keinen Platz gefunden zu haben und dringend Behandlung zu brauchen, hast Du Anspruch auf Kostenübernahme der Krankenkasse Deiner Therapie in einer Privatpraxis.

Hier kommt die Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Finden eines Therapieplatzes, Nachweis des Bedarfs und der Suche eines Therapieplatzes, bis zur Hilfe für das Kostenerstattungsverfahren.
Hinweis: Sowohl Kassensitze als auch das Kostenerstattungsverfahren beziehen sich auf eines der vier oben beschriebenen, von den Kassen anerkannten, Richtlinienverfahren. Informieren Dich, was für Dich passend sein könnte und lass Dich während der folgenden Schritte dazu beraten.
Schritt 1: Erstberatung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
Über die Terminservicestelle der KV erhältst Du einen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde. Dir muss innerhalb von 4 Wochen, in akuten Fällen binnen 2 Wochen, ein Sprechstundentermin angeboten werden.
Du erreichst die KV deutschlandweit rund um die Uhr unter der 116 117 oder digital auf www.116117.de oder über die App 116117.app.
Es handelt sich hierbei lediglich um ein Erstgespräch, in dem der Verdacht auf eine psychotherapeutisch behandlungsnotwendige Störung ermittelt wird. Da der Sprechstundentermin meist einem einmaligen Beratungstermin entspricht, gehe bitte in der Zwischenzeit bereits Schritt 2 nach. Dir wird nach Bestätigung des Verdachts ein Formular namens PTV11 mit der vorläufigen Diagnose, Dringlichkeit und Empfehlung ausgestellt.
Ein erster Schritt ist getan.
Dir muss innerhalb von 4 Wochen ein Sprechstundentermin angeboten werden.
Schritt 2: Suche nach Therapeut*innen mit Kassensitz
Am Anfang ist es wichtig, dass Du Dich bei Deiner Suche auf Praxen mit Kassensitz konzentrierst. Findest du bei Deiner Suche Privatpraxen kannst Du Dir diese gern für einen späteren Schritt vermerken. Die Suche kannst du durch Suchportale, Praxisschilder-Such-Spaziergänge und durch Empfehlungen von Freunden verbessern.
Suchportale, die die Suche erleichtern:
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Über die Terminservicestelle der KV
Psychotherapeut*Innensuche auf www.116117.de Auch als 116117-App für Apple und Android verfügbar. Nach der Hauptsuche kannst Du über "weitere Suchkriterien” z.B. auch nach unterschiedlichen Verfahren, Fremdsprachenkenntnissen o.ä. filtern.
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Seiten der KV nach Bundesland
Baden-Württemberg: www.arztsuche-bw.de
Bayern: www.kvb.de
Berlin: www.kvberlin.de
Brandenburg: www.kvbb.de
Bremen: www.kvhb.de
Hamburg: www.kvhh.net
Hessen: www.kvhessen.de
Mecklenburg-Vorpommern: www.kvmv.de
Niedersachsen: www.kvn.de
Nordrhein: www.kvno.de
Rheinland-Pfalz: www.kv-rlp.de
Saarland: www.kvsaarland.de
Sachsen: www.kvsachsen.de
Sachsen-Anhalt: www.kvsa.de
Schleswig-Holstein: www.kvsh.de
Thüringen: www.kv-thueringen.de
Du musst lediglich Deine Kriterien eintragen und erhältst eine Aufstellung relevanter Personen, die du im Nachgang auch weiter filtern kannst. -
Psychotherapeutenkammer
Eine Übersicht der Landeskammern findest Du hier: Psychotherapeutensuche
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Psychotherapeutische Institutsambulanzen (PIA)
Eine Behandlung von Therapeut*Innen in Ausbildung kann Dir einen schnelleren Zugang zu einer Psychotherapie ermöglichen. Es handelt sich hierbei um Fachkräfte, die ihr Medizin- oder Psychologiestudium bereits durchlaufen haben. Zum Abschluss der Psychotherapeutischen Ausbildung benötigen sie nachgewiesene psychotherapeutische Sitzungen, die immer supervisorisch begleitet werden. Dein Vorteil ist, dass dir häufig innerhalb weniger Wochen Erstgespräche sowie probatorische Sitzungen angeboten werden können. Informiere Dich bei den Ausbildungsinstituten in Deiner Umgebung.
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Private Suchseite
Hilfe findest du auch hier: Therapie.de. Achte auf die Unterscheidung Privatpraxis/Selbstzahler und GKV.
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Psychotherapieinformationsdienst
Hilfe findest du auch hier: Psychotherapieinformationsdienst der Deutschen Psychologenakademie
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Krankenkasse kontaktieren
Melde dich bei deiner Krankenkasse und fordere eine Liste mit Psychotherapeut*Innen an, die freie Kapazitäten haben und gehe mit diesen in Kontakt
Das Wichtigste in diesem Schritt: Führe ein Protokoll! Wen hast du wann, wie (Telefon/Mail) kontaktiert, hast Du jemanden erreicht oder eine Antwort erhalten, wenn ja, welche, wie lang ist die Wartezeit. Die Übersicht von Praxen, die Du nicht erreichen konntest, dir nicht geantwortet oder keinen Therapieplatz zur Verfügung haben, ist für Schritt 4 relevant.
Wenn es gut läuft, hast Du jetzt bereits Deinen Therapieplatz gefunden. Herzlichen Glückwunsch!
Schritt 3: Kontaktiere privaten Psychotherapie-Praxen
Nach mehreren Absagen/Nicht-Antworten (bestenfalls bis zu 10) kannst Du Dich an Privatpraxen wenden. Dort gibt es meist mehr freie Kapazitäten. Zur Suche nutzt Du die gleichen Suchportale wie aus Schritt 2.
Vereinbare Kennenlerngespräche und erwähne, dass Du Schritt 1 und 2 bereits gegangen bist. Das ist eine große Arbeitserleichterung für privat arbeitende Psychotherapeut*innen. Bei einem Kennenlerntermin kannst Du herausfinden, ob Du Dich wohl fühlst. Bei gegenseitiger Sympathie folgt Schritt 4, das Beantragen der Kostenübernahme bei der Kasse.
Ab hier hast Du nun tatkräftige Unterstützung!


Schritt 4: Kostenerstattung beantragen
Das Kostenerstattungsverfahren ermöglicht psychisch Erkrankten die Kostenübernahme der psychotherapeutischen Behandlung in Privatpraxen durch die Krankenkasse.
Grundvoraussetzung ist das Protokoll über mindestens 5, bestenfalls 10 Absagen oder Nicht-Antworten niedergelassener psychotherapeutischer Praxen. Gemäß Psychotherapeutenkammer gelten mehr als 3 Monate Wartezeit auf einen Therapieplatz als nicht zumutbar. Diesen Nachweis benötigt die Krankenkasse für die Kostenerstattung.
Gemeinsam mit dem/der Psychotherapeut*in kannst Du das Kostenerstattungsverfahren beantragen. Du benötigst hierfür die Bestätigung über die Notwendigkeit einer Behandlung und den Hinweis, dass Du einen zeitnahen Therapieplatz erhalten wirst. Zudem benötigst Du von Deiner Hausärztin/ Deinem Hausarzt einen Konsiliarbericht. Dieser soll medizinische Ursachen Deiner Beschwerden ausschließen und bestätigen, dass medizinisch nichts gegen eine Behandlung spricht. Er ist auch im Rahmen einer Kassensitz-Therapie nötig. Zu den Unterlagen fügst Du ein Anschreiben hinzu, in dem Du die Zustimmung zur privaten psychotherapeutischen Behandlung und der Erstattung der dafür notwendigen Kosten nach §13,3 Sozialgesetzbuch (SSGB) V beantragst.
Du hast die Möglichkeit, die ersten Stunden selbst zu zahlen, um nahtlos zu beginnen.
Optional Schritt 5: Widerspruch bei Ablehnung der Kostenerstattung
Leider bewilligen die Krankenkassen nicht immer im ersten Schritt. Es ist dann ein Widerspruch möglich. Das Androhen oder die tatsächliche Nutzung juristischer Unterstützung kann Dir in solchen Fällen helfen. Psychotherapie steht Dir bei nachgewiesener Dringlichkeit und Systemversagen gesetzlich zu.
Es gibt Kanzleien, die nur bei Erfolg ein recht geringes Honorar verlangen. Weitere Hilfe bei Problemen und Links zu juristischer Unterstützung bietet die Seite von Kassenwatch. Mache gern auch Deine*n Psychotherapeut*in auf Kassenwatch aufmerksam.
Viel Erfolg bei Deiner Therapie!
Hast Du noch weitere Ideen? Dann: